Die Wahlshow geht zu Ende

Omid Habibinia. Die siebten Parlamentswahlen in der islamischen Republik Iran fanden unter Ausschluss der Opposition statt. Der Wahlboykott hat neue Ausmasse erreicht.

 Obwohl im Vorfeld der Parlamentswahlen mehr als zehn Menschen bei Protesten umgebracht worden sind und andereBoykottwillige in Haft genommen wurden,war der Wahlboykott im Iran so weitverbreitet wie noch nie zuvor. Bei den iranischen Wahlen werden die KandidatInnen zuerst von den überprüft. Man kontrolliert nicht nur den politischen Background der Menschen, sondern auch ihr Privatleben. Boykott Nach einer zweiten Kontrolle gehen die Kandidaturen vor den Wächterrat, der wenige Wochen vor den Wahlen noch eigenem Gutdünken über die Zulassung entscheidet. Der Khatami-Flügel, der sich im Ausland als demokratische Alternative darstellet, hat das Vertrauen der Bevölkerungschon während der grossen Mobilisierungen der StudentInnen, der ArbeiterInnen, der LehrerInnen und der Angestellten des Gesundheitswesens gegen die Inneffizienz der Regierung verloren. Im Vorfeld der Wahlen sind die Anhäger Khatamis nun dazu übergegangen, die Opposition aktiv zu unterdrücken. Im letzten Monat sind mehr als zehn Bergarbeiter im Südosten des Landes während Demonstrationen umgebrachtworden. Mit dem wachsenden Widerstand der Bevölkerung haben sich auch die Widersprüche innerhalb des Regimes verschärft. Die Konservativen haben darauf mit dem Versuch reagiert, das Vertrauen der europäischen Staaten – speziell Frankreichund England, teilweise auch der USA – zu gewinnen, um ihre Machtbasis im Land selber zu stärken. Vor dem Hintergrund eines neunzigprozentigen Wahlboykotts bei den Kommunalwahlen im Jahr 2001 hat sich der Wächterrat schliesslich dafür entschieden, die politischen Rivalen innerhalb des Regimes auszuschalten. Obwohl die Kandidaturenvieler Khatami-Anhänger zurückgewiesen worden sind, blieb der Widerstand dieser Kräfte zahm.Am Wahltag selber sprachen erste offizielle Stellungsnahmen davon, dass nur zwanzig Prozent der Wahlberechtigten andie Urne gegangen sind. Darauf haben sich die politischen Leader direkt eingeschaltet. In der Folge wurde von einer Wahlbeteiligung von fünfzig Prozent gesprochen. Gleichzeitig berichteten JournalistInnenaber von leeren Wahlbüros. Das staatliche Fernsehen hat darauf verzichtet, Aufnahmen von den Wahlbüros zu senden. Offiziell hiess es, in Teheran seien 27 Prozent der Wahlberechtigten zur Urne gegangen. Die Leute selber schätzen, dass es nur zehn Prozent gewesen sind. Die Konservativen haben sofort nach den Parlementswahlen die Bildung einer Koalition bekanntgegeben, in der wenig bekannte Personen aus der Finanzoligarchie und aus dem Militärapparat beteiligt sind. Unter den Gewählten findet sich auch der Name von Farhad Nazari, dem Militärchef, der 1999 die Attacke auf die Schlafräume der Teheraner StudentInnen befehligt hat. Unmittelbar nach den Wahlen wurden verschiedene Zeitungen geschlossen. Die sich verhärtenden Unterdrückungsmassnahmen und die von den religiösen Führernveranlasste Rochade im Sicherheitsrat lassen darauf schliessen, dass die Konservativen Khatami zum Rücktritt drängen oder ihn während dem Rest seiner Präsidentschaft kalt stellen wollen. Gleichzeitig versucht man, die internationalen Spannungen zu reduzieren. Die Mobilisierungen der Bevölkerung und die Streiks der ArbeiterInnen und Angestellten schränken allerdings die Möglichkeiten des Regimes ein, den Widerstand zu brechen. Es ist deshalb sehr wohl möglich, dass sich die onfrontation bereits in der nahen Zukunft zuspitzen wird.

 Vorwärts 27. Feb 2004